Das dramatische Hochwasser im Juli dieses Jahres mit vielen Toten und Schäden in bisher nicht gekannter Höhe ist ein deutliches Zeichen des Klimawandels – ebenso wie es die geringen Füllstände in den Ruhrtalsperren nach den trockenen Sommern der Jahre 2018 bis 2020 waren. Extremwetterereignisse, die derartige Zustände hervorrufen, werden aufgrund des Klimawandels immer heftiger und häufiger. Anlässlich der Veröffentlichung der mehr als 240 Seiten starken 48. Ausgabe des Ruhrgüteberichts geht Prof. Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, in die Offensive: „Der Ruhrverband und die wasserwirtschaftlichen Akteure drängen angesichts der Trockenheit der letzten Jahre und des Juli-Hochwassers auf eine größere Flexibilität in der Talsperrensteuerung. Eine erste schnell umsetzbare und zielgerichtete Maßnahme, die zudem ohne finanzielle Mittel auskommt und den ökologischen Zustand der Ruhr nicht verschlechtert, ist die Absenkung der im Ruhrverbandsgesetz festgelegten Grenzwerte zur Mindestwasserführung der Ruhr. Eine solche Absenkung würde die Klimaresilienz der Trinkwasserversorgung deutlich erhöhen und auch mehr Spielraum bei der Talsperrensteuerung in Hochwasserzeiten eröffnen.“
In trockenen Jahren ermöglichen die abgesenkten Grenzwerte zur Mindestwasserführung, den Wasserschatz in den Talsperren länger zu bewirtschaften. Gutachten bestätigen, dass dadurch Engpässe bei der Trinkwasserversorgung und der Wasserversorgung vermieden werden können und keine relevanten Veränderungen der Qualität und des ökologischen Zustands der Ruhr zu erwarten sind. Bei der Hochwassersteuerung verschaffen abgesenkte Grenzwerte dem Talsperrensystem mehr Flexibilität, da Vorentlastungen von Talsperren bei Starkregenereignissen risikoärmer als bisher vorgenommen werden können. Denn selbst wenn auf ein Hochwasser eine langanhaltende Trockenphase folgen sollte, verhindern die abgesenkten Grenzwerte eine schnelle Entleerung der Talsperren und damit auch das Risiko, dass die Trinkwasserversorgung in Gefahr geraten könnte.
Der Ruhrverband hat mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Steuerung des Ruhrtalsperrensystems und kann die durch die Absenkung der gesetzlich geforderten Mindestwasserführung gewonnene Flexibilität zielgerichtet einsetzen.
Eine deutliche Minderung der Hochwasserspitze konnte der Ruhrverband auch beim Juli-Hochwasser erreichen, das in einigen Gegenden weit größer als ein alle 100 Jahre vorkommendes Starkregenereignis war. Obwohl den Talsperren in der Spitze 339 Kubikmeter pro Sekunde zugeflossen sind, haben sie nur 78 Kubikmeter pro Sekunde abgegeben. Der Scheitelabfluss der Ruhr bei Hattingen wurde auf diese Weise von 1.490 auf 1.230 Kubikmeter pro Sekunde reduziert. Bei den beiden großen Talsperren des Ruhrverbands, der Bigge- und Möhnetalsperre, konnte durch zielgerichtete Vorentlastungen erreicht werden, dass die Hochwasserentlastungen nicht in Betrieb gegangen sind. An der Henne- und der Ennepetalsperre sind die Hochwasserentlastungen zwar in Betrieb gegangen, allerdings erst, als der Spitzenabfluss in den unterliegenden Flüssen bereits mehrere Stunden zurück lag. Damit konnte selbst mit diesen Talsperren noch ein effektiver Hochwasserschutz erreicht und noch größere Schäden bei den Unterliegern verhindert werden.
Die Talsperren des Ruhrverbands erfassen allerdings nur 23 Prozent des Einzugsgebiets der Ruhr. Niederschläge außerhalb der Talsperreneinzugsgebiete können nicht zurückgehalten werden. „Daher brauchen wir weitere Maßnahmen und eine effiziente öffentliche Förderung, um den Hochwasserschutz zu verbessern“, sagt Norbert Jardin und nennt als Beispiele:
SARS-CoV-2 – Abwassermonitoring
Der Ruhrverband hat mit seinen Kläranlagen in Essen-Süd und im Biggetal im Oktober und November 2020 an einem Praxistest zum Monitoring von Coronaviren im Abwasser teilgenommen. Auf beiden Kläranlagen konnten Genreste von SARS-CoV-2, die nicht mehr infektiös waren, festgestellt werden. Eine Korrelation mit den Inzidenzen der jeweiligen Stadt oder des Landkreises ist kritisch, da die Einzugsgebiete nicht identisch mit den Stadtgebieten sind. Gleichwohl kann das Abwassermonitoring als Frühindikator genutzt werden, da es Trends zur epidemiologischen Lage bis zu 14 Tagen schneller abbildet als klinische Daten. Hierzu gilt es im nächsten Schritt, die Untersuchungsmethoden weiter zu vereinheitlichen, Schnittstellen zwischen dem Abwasser- und dem Gesundheitssektor zu entwickeln und den politischen Handlungsrahmen zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern festzulegen.
Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR)
Ob heißer Sommer mit Niedrigwasser im Jahr 2020, Pandemie oder Hochwasser im Juli 2021 – die Trinkwasserversorgung in unseren Versorgungsgebieten war stets sichergestellt. Dafür haben die 18 Mitgliedsunternehmen der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) auch im letzten Jahr gesorgt. 4,6 Millionen Menschen, Gewerbe und Industrie an der Ruhr wurden verlässlich mit jährlich insgesamt mehr als 240 Millionen Kubikmeter Trinkwasser bester Qualität versorgt.
Die zwei Seiten des Klimawandels – Herausforderungen für die Wasserversorgung
Das Hauptanliegen der AWWR im zurückliegenden Berichtszeitraum war erneut das Niedrigwassermanagement der Ruhr. Die Ruhr ist für die Trinkwasserversorgung dieser Region alternativloser Rohwasserspender. Die Talsperren des Ruhrverbands wiederum sind für die Ruhr unverzichtbare Vorlieferanten, die neben dem Hochwasserschutz überlebenswichtigen Speicherraum zur Überbrückung von Trockenphasen vorhalten. Aus ihnen speist sich der Fluss, der andernfalls auch schon ohne Klimawandel im Sommer trockenfallen würde.
Die Ruhrwasserwerke beschäftigen sich seit 2018 intensiv mit dem Thema Klimawandel an der Ruhr. Die extremen Dürrephasen der letzten drei Jahre haben die Talsperren auf eine harte Bewährungsprobe gestellt und gezeigt, dass eine größere Flexibilität bei deren Bewirtschaftung von Nöten ist. „Mehreren vom Ruhrverband angestrengten Sondergenehmigungsverfahren zur Abflussreduzierung war es zu verdanken, dass die vergangenen Trockenjahre sicher aus dem Reservoir der Talsperren überbrückt werden konnten“, fasst Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR, die Situation zusammen.
Von daher engagiert sich die AWWR gemeinsam mit dem Ruhrverband und den zuständigen Genehmigungsbehörden intensiv für eine Anpassung des Niedrigwassermanagements der Ruhr an die durch den Klimawandel entstandenen neuen Bedingungen.
„Im Ergebnis bedeutet dies eine Verringerung der Mindestabgaben aus den Talsperren in Niedrigwasserzeiten, in denen eine Zuschusspflicht aus den Talsperren besteht. Aus unserer Sicht stellt dies in dem hier gebotenen Ausmaß keine Gefährdung der Gewässerökologie dar. Im Gegenteil: Flora, Fauna und Habitat profitieren davon, wenn Fluss und Talsperren auch in anhaltender Dürre dank angepasster Speicherraumbewirtschaftung nicht trockenfallen“, so Rüther weiter.
Eine angestrebte Anpassung des Ruhrverbandsgesetzes mit neuen zukunftsfähigen und versorgungssicheren Niedrigwasserabflüssen ist zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge dringend erforderlich und sollte möglichst noch in diesem Jahr umgesetzt werden.
Im Juli 2021 ereignete sich u. a. in Teilen der Ruhrregion ein extremes Hochwasser, das uns mit katastrophaler Macht die andere Seite des Klimawandels vor Augen führte. Viele Ruhrwasserwerke und auch die Ruhr selbst und ihre Nebenflüsse wurden hart getroffen. Schadstoffe aus überspülten Betrieben, Straßen und Kellern sowie dem Gewässerumfeld strapazierten die Gewässer stark. Positive Nachrichten gibt es dennoch zu vermelden: Dort, wo es kurzfristig zu Einschränkungen in den Wasserwerken kam, wurde mit Hilfe bestehender Besicherungen umgehend für Ersatz gesorgt. Doch trotz der im Einzelfall großen Auswirkungen konnte die Trinkwasserversorgung aus den Ruhrwasserwerken aufgrund der sicheren Aufbereitungsanlagen zu jeder Zeit gewährleistet werden.
Nachhaltigkeit in den Ruhrwasserwerken
Für die Wasserwerke an der Ruhr bleibt es ein gemeinschaftliches Daueranliegen, den eigenen – wenn auch geringen – CO2-Fußabdruck weiterhin nachhaltig zu verkleinern und ökologische Verbesserungen in ihren Werken umzusetzen. Dies betrifft vor allem das Energiemanagement. Die größten Einsparpotenziale, beispielsweise bei der Pumpeneffizienz, wurden nahezu ausgeschöpft. Im weiteren Schritt geht es darum, den Strombedarf in den Wasserwerken in noch größerem Umfang aus erneuerbaren Energien selbst zu erzeugen.
Bei Wasserkraft bestehen keine weiteren Möglichkeiten, die Energiegewinnung zu maximieren. Windkraft scheidet in der Regel aufgrund gesetzlich geforderter Mindestabstände zur örtlichen Bebauung aus. Daher ist ein weiterer Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, kurz PV-Anlagen, das zukunftsfähige Mittel der Wahl. In den Wasserwerken existieren bereits PV-Anlagen auf den Dachflächen der Betriebsgebäude mit einer Gesamtleistung von rund 500 kWpeak. Dies wird in Zukunft weiter ausgebaut werden. Im Einklang mit dem Gewässerschutz wird ergänzend angetrebt, in den kommenden Jahren selbstbetriebene Freiflächen-PV-Anlagen mit einer Leistung von rund 15.000 kWpeak zu errichten und zu betreiben.
Auch beim Thema Außenbeleuchtung in Wasserwerken gibt es Möglichkeiten zu mehr Nachhaltigkeit.
Dabei dürfen die unverzichtbare Ausleuchtung von Verkehrswegen und Arbeitsbereichen selbstredend keine Einschränkungen erfahren. Dennoch sehen die Wasserwerke hier Luft nach oben sowohl bezüglich der CO2-Einsparung als auch bei der Verringerung von Lichtverschmutzung – ein höchst aktuelles Thema auch für den Artenschutz.
Die Umstellung auf LED-Lampen ist in vielen Wasserwerken früh umgesetzt worden. Diese Beleuchtungsart ist noch weiter optimierbar. Mittels Auswahl des Farbspektrums und Dimmung sowie durch intelligente jahreszeitlich abhängige Einschaltzeiten wird das Licht weniger grell und störend (sehr zum Gefallen nachtaktiver Tiere) und nur dann und so viel genutzt wie wirklich benötigt.
Im Wasserwerk Hengstey der Mark-E AG wurden diese Optimierungsmöglichkeiten schon umgesetzt und gleichzeitig jährlich 14.000 Kilowattstunden Strom und 4.760 kg Kohlendioxid eingespart, ohne eine Komforteinschränkung bei der Beleuchtung hinnehmen zu müssen. Die Tierwelt profitiert gleichermaßen davon. Das positive Beispiel soll innerhalb der AWWR Schule machen und in weiteren Wasserwerken zum Einsatz kommen.
Ein bedeutender Nachhaltigkeits- und Qualitätsbaustein ist der in 2011 begonnene Prozess der Errichtung Weitergehender Aufbereitungsanlagen (WAA), der innerhalb der AWWR erfolgreich weitergeführt worden ist. In diesem Jahr sind in zwei weiteren Wasserwerken die neuen Anlagen in Betrieb gegangen. Hierzu gehört das Wasserwerk Hengstey der Mark-E AG mit einem Investitionsvolumen von ca. 16,75 Millionen Euro und das Wasserwerk Westhofen der Wasserwerke Westfalen GmbH, deren WAA rund 24 Millionen Euro gekostet hat.
Mit den beschriebenen Baumaßnahmen zur Erweiterung der Aufbereitungsschritte in diesen beiden Wasserwerken sind die AWWR-Mitgliedsunternehmen dem gemeinsam mit dem Umweltministerium gesteckten Ziel ein weiteres Stück nähergekommen, nach dem Vorsorgeprinzip eventuell auftretende Stoffe – noch besser als bisher – im Rahmen der Trinkwasseraufbereitung zu entfernen.
Sie können den Ruhrgütebericht 2020 hier herunterladen:
Bildunterschrift
Prof. Norbert Jardin (r.), Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, und Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR, stellten gemeinsam den Ruhrgütebericht 2020 der Öffentlichkeit vor. © Ruhrverband